In Zeiten von digitalem Wandel, „BigData“ und der Aufstockung digitaler Überwachungsmittel staatlicher Behörden wird die Datensammlung ebendieser immer wichtiger zu beobachten und zu kommentieren. So treten praktische, ethische oder konzeptionelle Fragen im Zusammenhang mit Datensätze in Erscheinung.
Warum Daten überhaupt sammeln?
Vollständige Datensätze helfen bei der schnellen Identifizierung von Personen, sind Informationswiedergabe und ein wichtiger Aspekt bei der Veranschauung von Sachverhalten. Des Weiteren sind sie politisches Druckmittel aller Art, unterliegen aber auch dem Datenschutz bei Erhebung, Speicherung, Verarbeitung und Nutzung derer.
Die nicht vorhandenen Daten geben uns großen Aufschluss auf was wir ignorieren oder wir als nicht wert genug erachten zu sammeln und in Datensätze einzupflegen. Dass wiederum lässt Rückschlüsse auf kulturelle Gegebenheiten, Vorurteile und Gleichgültigkeiten zu.
Was sind Datensätze und was sind fehlende oder unterlassene Datensätze?
Datensätze sind gekoppelte, miteinander verbundenen und/oder eigenständige Daten die in der statistischen Verarbeitung (hier Polizeibehörde) weiterverarbeitet werden. Die Struktur der Daten ist dabei von Satz zu Satz unterschiedlich organisiert und geordnet. Der Datensatz eines Telefonbuches beinhaltet beispielsweise Vor- und Zuname, Adresse und die Telefonnummer. Polizeibehörden nutzen Datensätze, um Personen zu identifizieren, zu beschreiben und in verschiedenen Felder einzuordnen. Das wichtigste Tool der Behörden ist das sogenannte INPOL-neu (Informationssystem Polizei neu), es funktioniert als ein Art-Verbundsystem der verschiedenen Polizeibehörden des Bundes (Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Zollkriminalamt) und den Polizeibehörden der 16 Bundesländer. Das INPOL-neu ist ein Verbund von Datenbanken, von denen jede einzelne Behörde ihr eigenes Teilsystem unterhält.
Warum Datensätze fehlen oder sie gar in ihrer Erstellung unterlassen werden hat oft mehrere Gründe. Die Datenerfassung hat viele kleine und größere Unwägbarkeiten bei der praktischen Ausführung. Einer der wichtigsten Gründe für unterlassene Datensätze ist sicher der fehlende Anreiz derer die, die Ressourcen zum Sammeln von Daten haben (hier Polizeibehörde). Ein gut geeignetes Beispiel ist hierfür die Polizeigewalt über die es keine strengen Datensätze gibt und die, die es gibt, verschleiert werden. So kommt es auch selten zu einer Verurteilung da hier Polizei gegen Polizei ermitteln muss, was oft zu einem Freispruch führt. Man möchte keine allzu belastenden Beweise gegen Kolleg*innen sammeln da so ein schlechtes Bild auf die Sicherheitsbehörde fallen könnte.
Ein anderer Grund ist die festgefahrene Struktur einer so großen Behörde wie die der Polizei. Die Datenerfassung läuft nach festen Muster und Ritualen ab. Scheinbar vorhandenen Erfahrungen und persönliche Eindrücke werden dabei priorisiert. Mehr oder der Zeit angemessenere Datensätze bedeuten auch mehr Arbeit und müssten auch nach ihrer Nützlichkeit und Belastung untersucht werden. Wie Mimi Onuhoha in ihrer Essay On Missing Data Sets (2018) beschreibt haben fehlenden Datensätze auch Vorteile. Den es gilt zu beachten das wie jedes Vorhandensein eines Datensatzes jemanden zugutekommt, so auch das Fehlen von Daten jemanden zugutekommen kann.
Es muss beachtet werden das diejenigen die Datensätze festlegen, archivieren und katalogisieren immer entscheiden was wichtig ist und was wie gesammelt wird.
Ein strukturelles Problem?
- Man kann also festhalten, dass Datensätze immer zu hinterfragen sind und eine genauere Betrachtung durchaus Sinn ergibt. Besonderes in einer so schwerfälligen Behörde wie die der Polizei, die eigene Interessen verfolgt, sind die Datenerfassungen transparenter zu gestalten. Diese Strukturen lassen sich nur durch tiefgreifenden Reformen und/oder einer unabhängigen Polizeikontrollkommission verändern.
- Mehr Daten weniger Probleme?
- Die Gleichung mehr Daten= weniger Problem ist nicht haltbar. Daten können Debatten anstoßen, Informationen verbinden, Wissen erweitern und Kontexte vertiefen. Parallel dazu werden sie aber die aufgezeigten Probleme nicht verhindern oder mildern. Sie bringen, bei gute erstellten Datensätzen, Licht ins Dunkle und können ein gutes Werkzeug sein um Zustände zu verändern. Des Weiteren müssen Behörden Datensätze an zeitliche Gegebenheiten anpassen und Datensätze feiner justieren. Gerade im digitalen Zeitalter muss dieser Diskurs offen und zielorientiert geführt werden.
- stetig erweiterbare Liste der fehlenden Datensätze
- Liste der gesuchten und untergetauchten Nazis.
- Komplette Liste der in Polizeigewahrsam verstorbenen Menschen.
- Daten über die selbstverschuldeten Verletzungen von Polizist*innen mittels Pfefferspray.
- Liste der fehlenden Waffen in den Polizeibehörden.
- Liste der fehlenden Munition in den Polizeibehörden.
- Daten über BIPoc die Opfer von Gewalt/Hassverbrechen wurden.
- Daten über Menschen die sich in Abschiebehaft befinden.
- Daten über aktive V-Leute im rechten Milieu.
- Liste der Polizeibehörden die es in Erwägung ziehen Taser, als neue Waffen einzusetzen.
- Lister der überwachten autonomen Zentren.
- Daten der Einsatzbefehle bei Querdenker Demonstrationen.
- Daten der Einsatzbefehle bei „linken“ Demonstrationen.
- Liste der Polizist*innen die auf illegaler Weise ihren Dienstcomputer verwendet haben.
- Liste der fehlenden Gegenstände aus den Asservatenkammern der Polizeidirektionen.
- Daten über Immigranten die ohne Papiere inhaftiert sind.
- Aufschlüsselung nach sozialer Herkunft der inhaftierten Menschen.
- Liste der nicht nach gegangenen Anzeigen von Frauen mit dem Tathergang Vergewaltigung.
- Liste der nicht nach gegangenen Anzeigen von Sexarbeiter*innen mit dem Tathergang Vergewaltigung.
- Daten über die geimpften Polizist*innen während der Prio1 Phase.
- Daten über die von der Polizei überwachten Moscheen.
- Anzahl der Whats-App Gruppen innerhalb der Polizeibehörden.
- Liste der Polizist*innen die im sogenannten Nordkreuz aktiv sind/waren.
- Liste der Anzeigen wegen sexueller Nötigung und Belästigung und ihre Aufklärungsquote.
- Daten über Polizist*innen die mit der AfD sympathisieren.
-
author(s):